ISBN 3-936049-47-5
275 Seiten
18 €

 

Gwendolyn von Ambesser
Die Ratten betreten das sinkende Schiff

Das absurde Leben des Leo Reuss
mit einem Vorwort von Mario Adorf

In den Dreißigerjahren emigrierte der bekannte Berliner Schauspieler Leo Reuss nach Wien. Seine Hoffnungen, dort Arbeit zu finden, zerschlugen sich, denn auch dort hatte man wenig Interesse an jüdischen Emigranten. Reuss verschwand, und es hieß, er sei nach Amerika gegangen. Ein paar Monate später tauchte ein vollbärtiger blonder Gebirgsbauer auf, der unbedingt zum Theater wollte: Der Mann war sehr begabt und natürlich für die Wiener Theaterdirektoren viel „interessanter“ als die emigrierten richtigen Schauspieler…
In diesem Buch wird nicht nur die absurde Emigrationsgeschichte von Leo Reuss erzählt, sondern auch das Verhalten vieler seiner Wiener und Berliner Kollegen ausführlich und offen geschildert. Es wird ein liebevoll- bissiger Blick auf den Theateralltag und die Mentalität von Schauspielern geworfen. Und auf ihr Verhalten im Dritten Reich, der Zweiten Republik, der Emigration und bei der Rückkehr … Und natürlich gab es auch unter den Theaterleuten viele, die sich anständig und genauso viele, die sich schrecklich verhielten.
Nach der Lektüre dieses interessanten und amüsanten Buches, das sich nicht scheut, Namen zu nennen, wird vielleicht auch gut informierten Lesern einiges Altbekannte in einem neuen Licht erscheinen.
"Ich bin sicher, dieses Buch kann dem Leser nicht gleichgültig sein, es wird ihn rühren, es wird ihn staunen und auch schmunzeln."
Mario Adorf

Mehr Informationen
über Gwendolyn vom Ambesser und Leo Reuss bei Wikipedia.

Rezensionen

Pat Christ: Ratten betreten das sinkende Schiff. In: Volksblatt, Würzburg vom 21.7.2005 mehr...
Mapla: Schicksalhaftes Leben: In: Leprello mehr ...


Pat Christ: Ratten betreten das sinkende Schiff
Die Geschichte von Leo Reuss darzustellen, das war bereits dem Vater Gwendolyn von Ambesser ein Herzensanliegen. (...) Seit einer ganzen Weile schon ist das Manuskript fertig, doch es dauerte lange, bis ein Verlag gefunden war. "Ich nenne Namen, deshalb trauten sich viele Verlag nicht an das Vucxh", erklärt die im Würzburger Theater Chambinzky inszenierende Tochter des bekannten Regisseurs Axel von Ambesser.
Im positiven wie im negativen Sinn äußert sich die Autorin in ihrem ersten, reich bebilderten Literaturwerk über das Verhalten berühmter deutscher Theaterleute während der Hitler-Diktatur. (...)
Im Blick hat Gwendolyn von Ambesser vor allem das Betragen österreichischer Schauspieler und Regisseure Anfang der Dreißigerjahre gegenüber den aus dem Deutschen Reich emigrierten jüdischen Theaterkollegen. Grauenvoll sei ihr Verhalten oft gewesen, so die Schauspielerin. Teilweise sei schlicht nicht nachgedacht worden: "Doch in gewissen Situationen ist auch Nichtdenken kriminell."
Zu den nach Österreich emigrierten Theaterleuten gehörte auch der Jude Leo Reuss. Es war, so von Ambesser, ein in Berlin sehr bekannter Schauspieler gewesen. Allerdings - zum Topstar schaffte es der Lebensgefährte der weit berühmteren, 1941 in Berlin gestorbenen Schauspielerin Agnes Straub nie.
Was Reuss jedoch nach seiner Emigration Ende 1934 in Österreich vollbrachte, ist in von Ambessers Augen mehr als eine "Topleistung". Nachdem Reuss als staatenloser Jude mehr als ein Jahr vergeblich Arbeit an einem Theater gesucht hatte, verließ er 1936 angeblich das Land - und kehrte blondiert, bärtig und in bäurischer Verkleidung zurück, was ihm tatsächlich zu einem Engagement verhalf. Ein halbes Jahr lang hielt er den gewagten Rollentausch durch: "Eine unglaubliche psychische Leistung, die mit enormer Nervenanspannung und Angst vor dem Entdeckungswerden einherging."
Unter der Überschrift "Ein Mann spielt um sein Leben" verarbeitete bereits Mario Adorf die Metamorphose des Leo Reuss vor mehreren Jahren in einem Buchkapitel. Der 1930 in Zürich geborene Theatermann, den Gwendolyn von Ambesser als "einen meiner zuverlässigsten Schaupielerfreunde bezeichnet, schrieb auch das Vorwort zu ihrem Buch über Leo Reuss. Anfang der 1980er Jahre hatten sich Adorf und von Ambesser auch bereits einmal an ein Drehbuch über Leo Reusss gesetzt: "Die Realisierung des Films scheiterte jedoch am Greld, die Produktion hätte enorm viel Geld gekostet." (...)
"Pflicht" für einen jeden Theatermenschen sollte es außerdem sein, sich tagespolitisch auf dem Laufenden zu halten. Und noch wichtiger sei geschichtliches Wissen. Denn nur, wer die Geschichte kenne, könne verstehen, was sich heute hier vollzieht.

Mapla: Schicksalhaftes Leben: In: Leprello
Für Schauspieler Leo Reuss (1891-1956) wird es immer schwieriger, im nationalsozialistischen Deutschland zu arbeiten. Während einer Aufführung von Ibsens "Hedda Gabler" in Stettin kommt es beim Auftritt von Reuss zu einem von der dortigen SA organisierten Krawall. Daraufhin kehrt der in Galizien geborene Schauspieler ins heimatliche Österreich zurück. Doch auch dort hat man wenig Interesse an einem jüdischen Emigranten. Nach vergeblichen Versuchen, an diversen Wiener Theatern unterzukommen, schlüpft Leo Reuss in eine Rolle: Aus dem jüdischen Schauspieler Leo Reuss wird der blonde, vollbärtige Gebirgsbauer Kaspar Brandhofer. Ein Bilderbuchnaturbursche, der unbedingt zum Theater will und schließlich direkt vom Bauerhof den Sprung auf die Bühne schafft. Auf Empfehlungen von Max Reinhardt erhält er ein Engagement im Wiener Theater in der Josefstadt und debütiert im Dezember 1936 erfolgreich als zynischer Lebenmann in Schnitzlers "Fräulein Else". Wenige Tage nach der Premiere fliegt die Verkleidung auf, Reuss wird erkannt und emigriert 1937 ein zweites Mal. In Hollywood landet er beim Film und spielt als Lionel Royce ironischerweise vor allem den "bad German" in meist drittklassigen Kriegs- und Kriminalfilmen. Nach dem Krieg stirbt Reuss bereits im Frühjahr 1946 während einer Tournee für die amerikanische Südpazifik-Truppe in Manila.
Die bekannte Autorin, Regisseurin und Schauspielerin Gwendolyn vom Ambesser erzählt in ihrem neuen Buch "Die Ratten betreten das sinkende Schiff - Das absurde Leben des Leo Reuss" nicht nur die absurde Emigrationsgeschichte des bekannten Schauspielers. Sie schilderte offen und liebevoll-bissig das Verhalten seiner Kollegen, den Theateralltag und die Mentalität von Schauspielern, ohne dabei den geschichtlichen Hintergrund in seiner Dynamik aus dem Blickwinkel zu verlieren. Gwendolyn von Ambessers Buch ist ein pralles, exzellent recherchiertes theater- und zeitgeschichtliches Kaleidoskop, für das sie über siebzig Theatergrößen wie Fritz Kornter oder Hans Thiemig persönlich befragte. Fazit: Spannend wie berührend und keinesfallss nur füt Theater-Insider geschrieben. Mit einem Vorwort von Mario Adorf.

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